Stellungnahme des ALWR zu den Empfehlungen der Kommission fuer Rechenanlagen der Deutschen Forschungsgemeinschaft "Zur Ausstattung der Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland mit Datenverarbeitungskapazitaet fuer die Jahre 1992 bis 1995" (verabschiedet auf der 44. ALWR-Sitzung am 22.09.92 in Goettingen) -------------------------------------------------------------------- Der ALWR begruesst die in den juengsten Empfehlungen der Kommission fuer Rechenanlagen der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Ausstattung der Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland mit Datenverarbeitungskapazitaet fuer die Jahre 1992 bis 1995 ausgesprochenen Zielvorstellungen. Er teilt und unterstuetzt ausdruecklich die Feststellung der KfR - zur kuenftigen Struktur der DV-Versorgung, - zur Bedeutung einer adaequaten DV-Versorgung fuer die Wettbewerbsfaehigkeit der deutschen Wissenschaft, - zum Stand der DV-Technik sowie zu den wichtigsten Ent- wicklungstrends. In den nachfolgenden Ausfuehrungen moechte der ALWR zu einzelnen inhaltlichen Schwerpunkten der Empfehlungen in Form von Thesen Stellung nehmen und dabei insbesondere die in Kapitel 5 dar- gestellten kuenftigen Aufgaben des Hochschulrechenzentrums einer kritischen Wuerdigung unterziehen. 1. Entwicklungstendenzen Die wachsende Leistungsfaehigkeit von Workstations und lokalen Netzen ist offensichtlich. Erst dadurch ist die technologische Voraussetzung fuer die Dezentralisierung der DV-Grundversorgung einer Hochschule gegeben, die von den Hochschulrechenzentren begruesst und vorangetrieben wird. Der Uebergang zu Client-Server-Strukturen und offenen Systemen ist allerdings nicht kurzfristig durchzufuehren; somit kann es in der mehrere Jahre erfordernden Uebergangsphase durchaus notwendig werden, den Einsatz von proprietaeren Systemen weiter zu foerdern. Proprietaere Systeme werden darueber hinaus noch fuer Spezial- aufgaben (insbesondere im Bibliotheks- und Verwaltungsbereich) ueber einen laengeren Zeitraum vorgehalten werden muessen. Unter den im Abschnitt 4.3 der KfR-Empfehlungen dargestellten Hoechstleistungssystemen sind Rechner der zur Zeit weltweit verfuegbaren Spitzenleistung zu verstehen. Wenn deren Anzahl bei einem Investitionsvolumen von 50 Mio DM pro Rechner bundes- weit auf 2 Systeme in 4 Jahren begrenzt werden soll, ist die Realisierung einer Hochgeschwindigkeitsvernetzung ueber das Wissenschaftsnetz zu bezahlbaren Konditionen um so dringlicher. 2. Bedeutung der hochschulweiten Vernetzung Die Einfuehrung des neuen Versorgungsparadigmas einer dezentralen DV-Versorgung setzt die hochschulweite Vernetzung mit einem flaechendeckenden Angebot von Netzanschlusspunkten im Hochschulnetz voraus. Der ALWR empfiehlt, diese Tatsache deutlich herauszustellen und damit die im Netzmemorandum der DFG genannten prozentualen Versorgungszahlen fuer Netzanschlusspunkte zu korrigieren. Zur umgehenden Realisierung dieser fuer die adaequate DV-Versorgung unabdingbaren Infrastruktur sollten in jedem Bundesland aehnliche Foerderprogramme wie beispielsweise in Bayern (Netz-Investitions- Programm [NIP] zur flaechendeckenden Vernetzung der Hochschulen) aufgelegt werden. Fuer die ueberregionale Vernetzung unterstuetzt der ALWR nach- druecklich die Forderung der KfR nach einem flaechendeckenden 140 MBit/s-Netz zwischen den Hochschulen. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass bei den derzeitigen Gebuehrenforderungen der Telekom bereits ein 2 MBit/s-Anschluss (Kosten: ca. 300.000 DM) von den meisten Hochschulen nicht finanzierbar ist. Diese Tatsache relativiert viele Aussagen der KfR-Empfehlungen bezueglich der Konzentration auf ein bis zwei Hoechstleistungssysteme und der wuenschenswerten ueberregionalen Zusammenarbeit der Hochschulen und ihrer Rechenzentren. Der ALWR haelt eine Empfehlung der KfR dahingehend fuer wuenschenswert, dass die Finanzierung kosten- pflichtiger allgemeiner Kommunikationsdienste (kostenpflichtige Netze, Gateways, Poststrecken im Nah- und Fernbereich) zentral beim Etat des Hochschulrechenzentrums ausgebracht wird. Das Hochschulrechenzentrum sollte nur in eng begrenzten und unumgaenglichen Ausnahmefaellen verbrauchsabhaengige Kommunikations- kosten von den Benutzern erheben, da der technische und personelle Aufwand einer Abrechnung in keinem Verhaeltnis zum Nutzen steht. Eine zentrale Etatisierung landesweiter Kommunikationskosten ist anzustreben. Der ALWR haelt die Einrichtung von Netzkompetenzzentren in den Bundeslaendern (etwa nach dem Beispiel Baden-Wuerttembergs und Bayerns) mit dem dazugehoerigen Personal fuer aeusserst notwendig. 3. Zentrale versus dezentrale Versorgung mit Compute-Kapazitaet Der ALWR unterstuetzt das Konzept einer dezentralen Grundversorgung. Viele Hochschulrechenzentren haben diese Entwicklung der Dezentralisierung der DV-Versorgung bereits in den vergangenen Jahren massiv unterstuetzt. Zur Abdeckung des quantitativen und qualitativen Spitzenbedarfs ist jedoch zentral im Hochschulrechenzentrum weiterhin Ueberlaufkapazitaet in ausreichendem Umfang vorzuhalten und in Form von DV-Systemen zu realisieren, deren Leistungsfaehigkeit die der dezentral verfuegbaren Systeme deutlich uebersteigt. Die angestrebte dezentrale DV-Versorgung wird nach Einschaetzung des ALWR nicht vor Ablauf des in den KfR-Empfehlungen genannten Planungszeitraums allgemein erreicht sein. Entsprechend muss in dieser Migrationsphase zur Sicherstellung der Arbeitsfaehigkeit der Hochschulen eine entsprechend hoehere Compute-Kapazitaet noch zentral bereitgestellt werden, zumal ausserdem die als Infrastruktur erforderliche hochschulweite Vernetzung nicht so schnell realisiert werden kann. Der ALWR empfiehlt, die zentralen Compute-Server als moeglichst leistungsstarke offene Systeme zu realisieren. Da die Leistung relativ zu dem jeweiligen technologischen Entwicklungsstand auf diesem hohen Niveau gehalten werden muss, koennen solche Systeme im Hochschulrechenzentrum nicht ueber ihre gesamte Lebensdauer von ueblicherweise 5-6 Jahren eingesetzt werden. Es sollen diese Systeme daher nach etwa 2 Jahren in die Institute umgesetzt werden, die Systeme solcher Leistungsfaehigkeit dann noch als Server oder normale Arbeitsplatzsysteme sinnvoll einsetzen koennen. Der ALWR begruesst die Tatsache, dass der Versorgungsqualitaet (im Sinne von Abschnitt 1.3 der KfR-Empfehlungen) bei der Beurteilung von Beschaffungsmassnahmen die entscheidende Bedeutung beigemessen wird und Auslastungskriterien demgegenueber in den Hintergrund treten. Dieses Prinzip sollte auch fuer die Bewertung der zentralen Compute-Kapazitaet angewendet werden. Fuer die Versorgung mit Hoechstleistungskapazitaet unterstuetzt der ALWR die Forderung der KfR, den Zugang und die Zuteilung der Ressourcen von einer fachlichen Begutachtung der Anwendungsprojekte abhaengig zu machen. 4. Betrieb dezentraler Anlagen Der ALWR haelt die in Abschnitt 4.8 der KfR-Empfehlungen dar- gestellte organisatorische Struktur, nach der im Normalfall der Benutzer die Verantwortung fuer den Betrieb ``seiner'' DV-Systeme uebernimmt, zwar fuer wuenschenswert aber nicht fuer realistisch durchsetzbar, da die Fluktuation des Personals und die erforderliche Einarbeitungszeit eine kontinuierliche sachgerechte Betreuung unmoeglich machen. Ausserdem verhindert die Vereinzelung der Systembetreuer in den Fachbereichen das Ansammeln des notwendigen Fachwissens. Zusaetzlich treten vermehrt Benutzer von Arbeitsplatzsystemen an das Hochschulrechenzentrum mit der Bitte heran, sie bei Installations- und Anpassungsarbeiten zu unterstuetzen, da sie ihr DV-System ausschliesslich als Handwerks- zeug benutzen wollen. Deshalb wird die auch von der KfR fuer wuenschenswert erachtete Konzentrierung der DV-fachlichen Kompetenz im Hochschulrechenzentrum vom ALWR nachdruecklich befuerwortet, die allerdings in ihrer Auswirkung auf die Personalstruktur des Hochschulrechenzentrums entsprechend zu beruecksichtigen ist. 5. Personal und Personalstruktur im Hochschulrechenzentrum Der ALWR unterstreicht ausdruecklich die Feststellung der KfR, dass ein dezentrales, vernetztes Versorgungssystem wesentlich schwieriger zu betreiben ist als ein herkoemmliches zentrales System und dass deshalb die personellen Dienstleistungen an Umfang und Bedeutung erheblich zunehmen. Insbesondere sind hier die Aufgaben zu nennen, die dem Hochschulrechenzentrum aus der engagierten Wahrnehmung der Funktion eines kooperativen Kompetenzzentrums und aus der Unterstuetzung der Hochschulleitung bei Planung, Standardisierung und Koordinierung in uebergreifenden DV-Fragen erwachsen. Insgesamt ergibt sich aus den genannten Feststellungen, dass sich die Struktur der Aufgaben eines Hochschulrechenzentrums entscheidend wandelt und deren Umfang insgesamt zunimmt. Der ALWR stellt fest, dass dieser Veraenderung im Aufgabenspektrum nicht allein durch Umstrukturierung des vorhandenen Personals Rechnung getragen werden kann, zum einen da einer solchen Umstrukturierung enge personalrechtliche Grenzen gesetzt sind, zum andern da die Umwandlung niedriger (z.B. Operatorstellen) in hoeherwertige Stellen (z.B. fuer das Netzmanagement) in der Regel zu einer Reduktion der Stellenzahl fuehrt. Vielmehr sind fuer diese Aufgaben zusaetzliche Stellen (auch Zeitstellen) fuer flexible und gut ausgebildete Wiss. Mitarbeiter erforderlich. Der ALWR wuerde es daher begruessen, wenn die KfR ihren Einfluss an den entsprechenden Stellen geltend macht, dass durch Anpassung des Stellenplans und die Schaffung sonstiger geeigneter Rand- bedingungen in den Hochschulrechenzentren der Einsatz junger Wissenschaftler entscheidend gefoerdert wird. Nur so koennen Hochschulrechenzentren in die Lage versetzt werden, in kompetenter Weise Konzepte und Strategien fuer die DV-Versorgung auf der Basis verteilter offener Systeme zu entwickeln. Der ALWR teilt die Auffassung der KfR, dass eine Entwicklung der Hochschulrechenzentren hin zu Forschungs- und Entwicklungs- einrichtungen fuer praktische Informationsverarbeitung sinnvoll und notwendig sein kann, um die eigenverantwortliche Bearbeitung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zu praktischen Problemen der Datenverarbeitung sowie eine enge Kooperation mit geeigneten Universitaetsinstituten zur Ausschoepfung aller erzielbaren Synergieeffekte zu ermoeglichen und zu unterstuetzen; dazu ist jedoch die Organisationsform eines Instituts wegen dessen notwendiger Einbindung in eine Fakultaet aus hochschulrechtlichen Gruenden ungeeignet. Eine entsprechende Kooperation ist auch hochschuluebergreifend anzustreben (Netzkompetenzzentren, Pilot- projekte, Evaluierung anlaesslich von Beschaffungsmassnahmen), jedoch muessen die dazu erforderlichen finanziellen Rahmen- bedingungen (Mittel fuer Fortbildung, Umschulungsmassnahmen, Reisekosten) geschaffen werden. Zusammenfassend sieht der ALWR die Empfehlungen der KfR der DFG "Zur Ausstattung der Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland mit Datenverarbeitungskapazitaet fuer die Jahre 1992 bis 1995" als eine wesentliche Orientierung- und Argumentations- hilfe zur Gestaltung einer zukunftsweisenden DV-Struktur an den deutschen Hochschulen an.